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Positive mentale Gesundheit im Praxisalltag

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Therapiearbeit als Stressor  

Die Begegnung mit Patient:innen ist das A und O des psychotherapeutischen Alltags. Andere Menschen zu verstehen, ihnen zu helfen oder ihnen Entwicklungschancen zu ermöglichen ist für viele Therapeut:innen der Anreiz für ihre Berufswahl. Dennoch kann die tagtägliche Konfrontation mit psychischen Beeinträchtigungen, schwierigen Lebensphasen oder Traumata auch eine Belastung darstellen. Manchmal kann es so wirken, als hätte der Tag nicht genug Stunden, um allen Aufgaben und Anforderungen gerecht zu werden. Der Stress beginnt schon zu Beginn der Weiterbildung für Psychotherapie und bleibt nach der Psychotherapie-Approbation bestehen. 

Die Arbeit mit chronisch kranken Patient:innen kann dazu führen, dass Psychotherapeut:innen sich selbst an zweite Stelle setzen, um bestmöglich für ihre Klient:innen bereitzustehen (Figley, 2002). Wer Arbeitsstress wortwörtlich mit nach Hause nimmt, ist zahlreichen psycho-physiologischen Gefahren ausgesetzt. Neben Kopfschmerzen, Verdauungsproblemen und Schlafstörungen kann ein dauerhaft erhöhtes Stresslevel auch zu Herzproblemen und Depressionen führen (Philipp, 2024). Besonders herausfordernd ist, das eigene Stresslevel frühzeitig genug zu erkennen, um ihm entgegenzuwirken. Häufig kumulieren sich private und dienstliche Herausforderungen unbemerkt über die Zeit, da man kleinere Probleme bagatellisiert oder aus Zeitmangel vertagt.  

Viele Menschen werden sich erst bewusst, wie gestresst sie sind, wenn das Fass schon fast übergelaufen ist und physische oder psychische Auswirkungen entstanden sind. 

Das Vernachlässigen von eigenen Bedürfnissen und persönlichen Problemen stellt zudem eine Beschränkung der therapeutischen Effektivität dar (Sherman, 1996). Das verläuft ganz nach dem Prinzip „Wer sich nicht um sich selbst kümmern kann, kann auch nicht die Verantwortung für seine Patient:innen tragen.“ Im schlimmsten Fall kann das Überstrapazieren der eigenen Kapazitäten zur sogenannten Mitgefühlsmüdigkeit führen: Durch das Ausschöpfen der eigenen Ressourcen wird es unmöglich, Patient:innen empathisch und geduldig entgegen zu kommen (Rohwetter, 2019). Auch ein therapeutisches Burn-Out, also das Gefühl von emotionaler, physischer und mentaler Ermüdung, kann ein Resultat von Überstressung sein. Daraus resultiert häufig eine zynische Grundeinstellung zum Job; Therapeut:innen fühlen sich von ihrem Beruf entfremdet und empfinden sich selbst als ineffektiv (Philipp, 2024).  

Mentale Gesundheit als Erfolgsstrategie 

Schon Freud und Rogers beschrieben die mentale Gesundheit von Psychotherapeut:innen als Fundament ihrer Arbeitsqualität. Auch, wenn es seitdem zahlreiche Fortschritte in der Psychotherapie gab, stellen die Einschränkung von und der Umgang mit Stress weiterhin einen zentralen Aspekt der Psychogenese dar. Zu diesem Zweck haben sich zahlreiche Studien mit Strategien zur Stressreduktion und Resilienzbildung auseinandergesetzt. 

Das Ziel ist, positive mentale Gesundheit (PMG) herzustellen und intakt zu halten. Das bedeutet, dass nicht nur eine Abwesenheit von psychischen Problemen besteht, sondern auch weitere Faktoren vorliegen, die das Wohlbefinden ausmachen (Chang et al., 2022).  

Beispielsweise stärkt das Akzeptieren der eigenen Lebenssituation oder schwieriger Emotionen die positive psychische Gesundheit. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung – indem man sich potenziell negativen Emotionen gegenüber der Arbeits- oder Lebenssituation eingesteht, trägt man zur Verbesserung des Wohlbefindens bei. Außerdem löst man sich von dem Druck, dauerhaft leisten und abliefern zu müssen, indem man aktiv zugibt, dass die Arbeit als Psychotherapeut:in fordernd ist (Norcross, 2010). Es ist okay, eine Pause zu brauchen! 

Um aktiv zu einer überwiegend positiven Lebensevaluation zu kommen, hilft es, eigene Werte zu vertreten und sich persönliche Ziele zu setzen. Dabei ist es wichtig, sich selbst nicht zu unterschätzen und sich die Kapazität zur Anpassungsfähigkeit und zu persönlichem Wachstum zuzugestehen. Menschen sind bestandfähiger, als sie häufig denken.  

Die Rolle von Resilienz, also der Eigenschaft, Hindernisse zu überwinden und in schwierigen Lebenslagen zu funktionieren, hat die letzten Jahre zunehmend an wissenschaftlicher Aufmerksamkeit gewonnen. Resilienz gilt mittlerweile als ein Hauptprädiktor für Wohlbefinden und ist auch in der Aufrechterhaltung von positiver mentaler Gesundheit nicht mehr wegzudenken. Wer resilient ist, fokussiert sich eher darauf, wie man bestmöglich mit Herausforderungen umgeht, anstatt an ihnen zu resignieren. Dabei hilft, die Umstände anderer Menschen nicht zu internalisieren, also sich nicht die Schuld an äußeren Lebensszenarien selbst zuzuschreiben (Chang et al., 2022). Auch, wenn man sich als Therapeut:in für seine Patient:innen zuständig fühlt, liegt die Verantwortung für das Leben der Klient:innen immer bei ihnen selbst.  

Was wirkt auf die positive mentale Gesundheit ein? 

Individuelle Ebene

Um positive mentale Gesundheit herzustellen, muss man sich Faktoren auf der individuellen Ebene, der zwischenmenschlichen Ebene und der sozio-kulturellen Ebene ansehen. Intrapersonell spielt beispielsweise eine Rolle, ob man sich regelmäßig bewegt und wie der Schlafrhythmus aussieht. Außerdem ist es essenziell, durch das Verfolgen von persönlichen Zielen einen Sinn im Leben zu kreieren. Diese Ziele sollten vor allem auf Privatebene, nicht im Arbeitsbereich, bestehen. Dadurch trennt man klar das Berufsleben von seiner Persönlichkeit.  

Schon vor der eigenen psychotherapeutischen Kassenzulassung kann damit begonnen werden, präventiv gegen ungewollte Stresssituationen vorzugehen. Die Konzepte „Selbstbewusstsein“ und „Selbstbefreiung“ sind der stärkste Einflussfaktor für optimale Funktionalität von Therapeut:innen (Schwebel & Coster, 1998). Damit ist gemeint, dass man sich regelmäßig bewusst wird, wie die aktuelle Belastung aussieht. Beispielsweise könnte man sich fragen: Bin ich gerade gestresst? Arbeite ich momentan mehr Überstunden als sonst? Habe ich noch genug Zeit für mich selbst? Es kann hierbei auch hilfreich sein, sich auf das Feedback von nahestehenden Personen zu verlassen, damit man die eigene Beanspruchung nicht unterschätzt (Norcross et al., 2010). 

Möglicherweise hilft es, Techniken und Taktiken aus Ihrem Berufsalltag in Ihr Privatleben zu integrieren. Häufig sind die besten Lösungen auch ohne psychotherapeutische Fortbildungen längst unbewusst in unserem Wissensrepertoire. Stellen Sie sich vor, ein:e Patient:in würde sich mit Ihrem aktuellen Problem an Sie wenden. Was würden Sie dieser Person raten? 

Interpersonelle Ebene 

Kaum etwas lässt Menschen so aufblühen, wie das Gefühl, miteinander verbunden zu sein (Chang et al., 2022). Die Unterstützung von Freund:innen, der Familie oder der Partnerschaft fördert die positive mentale Gesundheit und reduziert Stress. Aber auch professionelle interpersonelle Bindungen können in manchen Fällen hilfreich werden. Wenn die Belastung durch den therapeutischen Alltag zu groß wird, ist es ratsam, selbst eine Therapie durchzuführen oder Supervision zu suchen. Des Weiteren könnte man sich mit anderen Therapeut:innen zusammensetzen und sich über die Belastungssituation austauschen.  

Ausschlaggebend ist: Man muss seine Belastungen nie allein durchstehen. Egal, ob die Hilfe durch das private Umfeld, Kolleg:innen oder eine Therapie geboten wird, der soziale Austausch kann eine große Erleichterung darstellen. 

Sozio-kulturelle Ebene 

Der soziale Umgang mit positiver mentaler Gesundheit (PMG) ist die Basis für deren gesellschaftliche Akzeptanz. Aktuell wird daran gearbeitet, wissenschaftliche Forschung zu veröffentlichen und das Konzept zu verbreiten. Dadurch soll die Stigmatisierung reduziert und die positive mentale Gesundheit in ein anderes Licht gerückt werden. Das Ziel ist es, dass PMG mehr als Entwicklungs- und Wachstumschance gesehen wird. Indem man PMG als den Wunsch nach Resilienz und Ressourcen definiert, bewegt man sich weg von dem Bild, dass die Abwesenheit von mentaler Gesundheit eine Schwäche und ein Problem ist.  

Was kann ich in meinem Leben konkret tun? 

Zusammenfassend finden sich zahlreiche Wege, um Stressreduktion in den Alltag zu integrieren. Machen Sie sich bewusst, dass Stressbewältigung ein Prozess ist; geben Sie sich Zeit! Wir möchten Ihnen drei konkrete Leitsätze auf den Weg geben, Ihren Arbeitsstress zu reduzieren und Ihre positive mentale Gesundheit zu fördern.   

  1. „Zusammen ist man stärker als allein!“  
    Nutzen Sie ihre Ressourcen, beraten Sie sich mit Ihren Kolleg:innen, weihen Sie Ihre Familie in Ihren Stress ein. Es ist in Ordnung, nicht alles allein durchstehen zu wollen. Ihr Umfeld wird Sie sicherlich mit offenen Armen empfangen. 

  1. „Ich kann bewältigen, womit ich konfrontiert bin!“ 
    Lassen Sie sich nicht von schwierigen Phasen entmutigen. Indem Sie sich Strategien zurechtlegen, mit spezifischen Stresssituationen umzugehen, lenken Sie den Fokus automatisch auf ein zukünftiges Ergebnis statt auf eine aktuelle Herausforderung. Wenn Sie sich konkrete Ziele setzen und sich diese immer wieder vergegenwärtigen, kreieren Sie dadurch eine Motivation, stressreiche Momente zu überwinden. Resilienz zu erlernen und zu üben kann einen ausschlaggebenden Unterschied in Ihrem Alltag schaffen.  

  1. „Mein Umfeld arbeitet für, nicht gegen mich!“ 
    Umweltfaktoren wie die ständige Konfrontation mit neuen Anfragen oder ein vollgestopfter Terminkalender sind zusätzliche Stressfaktoren. Die Menge und Komplexität der zu verarbeitenden Informationen am Arbeitsplatz ist für viele ein Stressor (Techniker Krankenkasse, 2023). Im Therapiekontext kann beispielsweise die telefonische Erreichbarkeit, welche häufig nur mit der Vergabe von Absagen verbunden ist, belastend wirken und die Freude am Arbeitsalltag reduzieren. Wir bei Lucoyo haben eine ganzheitliche Lösung erschaffen, die die Terminfindungs-Bedürfnisse von Therapeut:innen und Patient:innen miteinander vereint. Klicken Sie hier für mehr Informationen, wie Sie schon heute die Anfrageflut reduzieren und mehr Zeit für sich selbst und Therapiearbeit schaffen können.  

Quellen:


Chang, S., Sambasivam, R., Seow, E., Subramaniam, M., Ashok Assudani, H., Tan, G. C.-Y., Lu, S. H., & Vaingankar, J. A. (2022). Positive mental health in psychotherapy: A qualitative study from psychotherapists’ perspectives. BMC Psychology, 10(1), 111. https://doi.org/10.1186/s40359-022-00816-6 

Figley, C. R. (2002). Compassion fatigue: Psychotherapists’ chronic lack of self care. Journal of Clinical Psychology, 58(11), 1433–1441. https://doi.org/10.1002/jclp.10090 

Jankowski, P. J., Sandage, S. J., Bell, C. A., Davis, D. E., Porter, E., Jessen, M., Motzny, C. L., Ross, K. V., & Owen, J. (2020). Virtue, flourishing, and positive psychology in psychotherapy: An overview and research prospectus. Psychotherapy, 57(3), 291–309. https://doi.org/10.1037/pst0000285 

Norcross, J. C. (2000). Psychotherapist self-care: Practitioner-tested, research-informed strategies. Professional Psychology: Research and Practice, 31(6), 710–713. https://doi.org/10.1037/0735-7028.31.6.710 

Nutt Williams, E. (2008). A psychotherapy researcher’s perspective on therapist self-awareness and self-focused attention after a decade of research. Psychotherapy Research, 18(2), 139–146. https://doi.org/10.1080/10503300701691656 

Pereira, J.-A., & Barkham, M. (2015). An Exceptional, Efficient, and Resilient Therapist: A Case Study in Practice-Based Evidence. Pragmatic Case Studies in Psychotherapy, 11(3), Article 3. https://doi.org/10.14713/pcsp.v11i3.1917 

Philipp, H. (2024). Help! Being a Therapist is Too Stressful. Abgerufen 12. September 2024, von https://therapywisdom.com/2024/02/02/help-being-a-therapist-is-too-stressful/ 

Rohwetter, A. (2019). Wege aus der Mitgefühlsmüdigkeit. Abgerufen 11. September 2024, von https://www.beltz.de/fachmedien/psychologie/produkte/details/38830-wege-aus-der-mitgefuehlsmuedigkeit.html 

Sherman, M. (1996). Distress and professional impairment due to mental health problems among psychotherapists. Clinical Psychology Review, 16(4), 299–315. https://doi.org/10.1016/0272-7358(96)00016-5 

Stafford-Brown, J., & Pakenham, K. I. (2012). The Effectiveness of an ACT Informed Intervention for Managing Stress and Improving Therapist Qualities in Clinical Psychology Trainees. Journal of Clinical Psychology, 68(6), 592–513. https://doi.org/10.1002/jclp.21844 

TK / Arbeitgeber-Studie: Psychische Belastung am Arbeitsplatz immer bedeutender—Pressemitteilung—Kkdirekt.de. (2023). Abgerufen 11. September 2024, von https://www.krankenkassen-direkt.de/news/pr/mitteilung.pl?id=3538712&cb=7860389499 

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